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Geschichte

Die Böschemer Fosenocht

Die Fastnacht ist tief in der Geschichte der Stadt Bischofsheim i. d. Rhön verwurzelt. So geht die erste urkundliche Erwähnung des Böschemer Fosenochtstreibens zurück in das Jahr 1650. Der „Fosenochtsverein Böschemer Maumer e. V.“ hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Faschingsbrauchtum in Bischofsheim zu fördern und zu erhalten. Welche Brauchtümer noch heute gelebt werden, erläutern wir hier:

Der Schlachtruf

Ohne gleichen ist wohl der Schlachtruf der Böschemer Maumer in der fünften Jahreszeit. Während andern Orts die Narren ein Helau oder Alaaf zum Besten geben, ist hier ein langgezogenes und freudiges „Haaalex“ in den Straßen und Gassen zu vernehmen.

Das Wort Halex, so erzählt man, ist abgeleitet von dem Ruf „Alte Hexe“. Um unerkannt ihren närrischen Spektakel in den Gassen vollführen zu können, haben sich in früheren Zeiten vor allem auch die jungen Burschen in alte Frauengewänder gekleidet und ihre Gesichter mit holzgeschnitzten Hexenmasken „vermummt“. Und diese „Rhönhexen“ wiederum wurden dann von den Kindern in den Gassen eben mit dem Ausruf „Aaal Hex'“ geneckt und verspottet.

Der Maumer

Neben dem eigenartigen Schlachtruf „Halex“ ist auch der bereits genannte „Böschemer Maumer“ als Spitzname für den Bischofsheimer, ein einmaliger Begriff aus alter Zeit. Das Wort Maumer kommt, so wird vermutet, von vermummen und ist heidnischen Ursprungs. Das Wort Mummenschanz wird auch heute noch andern Orts im Zusammenhang mit der Fasenacht verwendet.

Die Maumerkapelle

„Ohne Musik keine Altweiberfosenocht“, so seiner Zeit die klare Aussage der alten Fösenöchter, und kurzerhand wurden einige, musikalisch noch recht unerfahrene, aber talentierte, blutjunge Fosenochtsnarren als Musikanten „zwangsverpflichtet“. Seit dem ist die Maumerkapelle der musikalische Mittelpunkt allen Faschingstreibens und heute nicht mehr aus der närrischen Szene wegzudenken.

Die Altweiberfosenocht

Sicherlich sind allerlei schöne Narrengebräuche in Bischofsheim im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen. Manche besondere Tradition allerdings, ist in der Hochburg der Rhöner Fosenocht bis in unsere Zeit erhalten geblieben. Zu diesen alten, närrischen Gepflogenheiten kann man, trotz wechselnder Lebhaftigkeit, sicherlich die „Altweiberfosenocht“ zählen. Die Meinungen über ihre Anfänge gehen auseinander. Einige Bischofsheimer sind der Meinung, dass es nach dem 30-jährigen Kriege gewesen sein muss. Warum ihre Vorfahren ausgerechnet nach der Heimsuchung durch die Schweden zu feiern begannen, ist unschwer zu erraten: Aus Freude darüber, den Peinigern entronnen zu sein. Andere Böschemer siedeln die ersten Umtriebe der Rhönhexen im Mittelalter an.

Den vermummten Rhönhexen bereitete das Treiben in der Altweibernacht seit jeher diebisches Vergnügen. Mit Freude hat das Gebaren für deren Opfer hingegen wenig zu tun. Das wird nämlich von den verkleideten Gestalten gefoppt und an der Nase herumgeführt. Auf diese Weise kann man dem ungeliebten Nachbarn Schabernack zufügen, ohne sich selbst zu offenbaren.

Auf Grund seiner langen Geschichte verfiel der Altweiberfasching sicherlich immer wieder einmal in einen kurzen Dornrösschenschlaf, wurde aber stets rechtzeitig wieder von traditionsbewussten Böschemern wachgeküsst und ging daher als Brauchtum bis heute nicht verloren. So wurde zuletzt auch Ende der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts die Altweiberfosenocht nach kurzem „Winterschlaf“ wieder mit neuem Leben erfüllt, und hat seither für die Maumer nichts von ihrer Einmaligkeit und ihrem Zauber verloren.

Mit der beschaulichen Tradition war es jedoch Anfang der achtziger Jahre schlagartig vorbei. Der Altweiberfasching im Rhönstädtchen erlebte einen Aufschwung, der besonders den Traditionalisten überhaupt nicht behagte. Nach der schwedischen Heimsuchung im 17. Jahrhundert, stand jetzt die Heimsuchung durch wahre Pilgerströme Vergnügungssüchtiger aus Fulda, Schweinfurt und Würzburg an. Bischofsheim wurde zum Mekka des Altweiberfaschings, mit überwiegend negativen Folgen für die Bevölkerung. Die Menschenmassen fielen in die Kleinstadt ein wie seinerzeit die Heuschrecken in Ägypten. Bald artete das Treiben zu einem Alptraum aus. Ohne Ordner und Türsteher war dem Mob nicht mehr Herr zu werden. Schlägereien, Pöbeleien, Alkoholleichen und menschlicher Unrat in allen Gassen. Den Maumern war die Lust auf ihre „Altweiberfosenocht“ gründlich vergällt. Dem vertrauten Halex nachtrauernd, verriegelten sie jetzt sogar die Fensterläden, und verlegten klammheimlich ihren Altweiberfasching auf einen anderen Wochentag. Zum Glück fanden die wilden Zeiten Anfang der neunziger Jahre ihr Ende. Halex tönt es seitdem wieder fröhlich aus den Narrenkehlen in den Gassen und Straßen der Stadt.

In Bischofsheim wird der Altweiberfasching nicht nur am letzten Donnerstag vor Rosenmontag abgehalten. Die Böschemer, närrisch wie sie sind, genehmigen sich hierfür gleich die letzten vier Donnerstage vor Rosenmontag. Hierfür treffen sich seit nunmehr über 30 Jahren die Musikanten der Maumerkapelle an eben diesen Donnerstagen kurz vor acht Uhr abends in der „Degetsmühle“. Dort gibt es traditionell bei der „Mühlenchefin“ den ersten Schnaps des Abends um die Ventile der Musikinstrumente, und die Stimmen für den Gesang zu „ölen“. Die maskierte Narrenschar indes formiert sich, nur einen Steinwurf entfernt, in der Fastnachtsgasse.

Bei den kostümierten „Alten Hexen“ ist es verpönt, die Maske vor Mitternacht zu lüften, und es gilt die Regel, dass man alles tun muss, was die Hexe will. Pünktlich zur vollen Stunde eröffnen die Musikanten, gut gestärkt und ebenso gut gelaunt, aus der „Degetsmühle“ kommend, den Altweiberdonnerstag mit einer Schunkelrunde in der Fastnachtsgasse. Unter den Klängen zünftiger Marschmusik führen dann die Musikanten den abendlichen Narrenzug durch die Wirtshäuser der Stadt, verweilen dort jeweils für eine Schunkelrunde, um dann in die nächste Schänke weiter zu ziehen. Da die Kapelle für ihr Spiel in den Gasthäusern auch immer einige Maß Bier vom Wirt spendiert bekommt, braucht der Musikant entweder eine gute Disziplin zur Enthaltsamkeit, oder aber eine gute Konstitution um den Abend und speziell auch den nächsten Arbeitstag gut zu überstehen.

Der Rathaussturm

Zum jüngeren Fosenochtsbrauchtum in Bischofsheim gehört der „Rathaussturm“ am Faschingssamstag. Angeführt vom „Maumer“, als Obernarr des fröhlichen Volkes, und mit Unterstützung der Maumerkapelle und dem Prinzenpaar nebst Prinzengarde unternimmt das Narrenheer alljährlich den Sturm auf das Rathaus der Stadt.

Nach stets heftiger Gegenwehr des Bürgermeisters und seiner „Spießgesellen des Hohen Rates“ ist die Erstürmung und Übernahme des Rathauses durch das Narrenvolk jedoch immer nur eine Frage der Zeit, und geschieht seltsamer Weise umso schneller, je tiefer die Temperaturen draußen vor dem Rathause sind. Durch diesen kriegerischen Akt ist es den Narren wieder einmal gelungen, die Amtsgewalt in Bischofsheim bis Aschermittwoch zu übernehmen. Zum Glück entschließt sich der abgesetzte Bürgermeister noch in der selben Stunde zur Aufnahme von Friedensgesprächen, welche er immer mit einer ordentlichen Brotzeit und freien Getränken einleitet. Die siegreichen Narren im Rathaus wiederum signalisieren ihre Bereitschaft zu diplomatischen Verhandlungen durch musikalische Einlagen der mitgeführten Musikanten.

Der Fosenochtsbaam

In den Nachmittagsstunden des Faschingssamstags wird von den Narren der „Fosenochtsbaam“ auf dem Marktplatz aufgestellt. Dabei handelt es sich um einen großen, von der Stadt gestifteten Fichtenbaum, der zunächst von starker Männerhand bis auf die Baumkrone vom Astwerk befreit, und dann mit allerlei bunten Schleifen und Bändern verziert wird. Der so herausgeputzte Baum wird nun unter den Klängen der Maumerkapelle, und im Geleit einer großen Narrenschar durch die Gassen der Stadt gefahren um ihn auch dem „gemeinen Volke“ zu präsentieren.

Mit dabei sind auch die Damen der Prinzengarde, die den Kranz mit den Würsten und Wecken trägt. Dieser Kranz ziert den Baum bis Aschermittwoch. Der Tross endet am Marktplatz, wo es nun gilt, in Anwesenheit zahlreicher Schaulustiger und unter viel Trommelwirbel den Baum in die Höhe zu stellen.

Bis Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde dieses heikle Unterfangen mit Seilen und Stangen und mit viel Muskelkraft bewerkstelligt. Heute obliegt es aus Sicherheitsgründen der hiesigen Feuerwehr mit ihrem technischen Gerät das Herrschaftssymbol der Narren am Marktplatz fachmännisch zu errichten. Dort verbleibt der Baum bis zum Ende der Fastnacht. Ein majestätisches, weit sichtbares Zeichen der Narrenherrschaft in der Stadt.

Fastnachtsgasse und Narreneck

Bevor man den großen „Fosenochtsbaam“ am Marktplatz in die Senkrechte stellt, gilt es zunächst, mit musikalischer Unterstützung noch einige kleinere „Ableger“ des Marktplatzbaumes in den Höfen der Fastnachtsgasse aufzustellen. In der Aufmachung unterscheiden sich die kleinen Narrenbäume nicht wesentlich von ihrem großen Bruder auf dem Marktplatz, sind jedoch in der Baumspitze meist noch mit einer Narrenmaske versehen. Die Anwohner rund um das „Narreneck“ bringen so ihre besondere Verbundenheit mit ihrer Fastnachtsgasse und dem Narrenvolk zum Ausdruck.

Rosenmontag

Höhepunkt der „Böschemer Fosenocht“ ist zweifelsohne der Narrenumzug am Rosenmontag. Dann nämlich finden sich die Narren aus allen Ortteilen und aus den umliegenden Nachbargemeinden in Bischofsheim ein, um dieses bunte und stimmungsvolle Spektakel mitzugestalten. Der Tross aus liebevoll gebauten Wagengespannen und phantasiereichen Fußgruppen nimmt Aufstellung am alten Bahnhofsgelände und wird angeführt vom „Fahnenschwenker“, dicht gefolgt vom Prinzengardenwagen. Unter den Klängen zahlreicher Musikkapellen wird der närrische Konvoi, flankiert von Schaulustigen aus nah und Fern, durch die Straßen und Gassen der Stadt geführt. Am Marktplatz ist schließlich das Ziel der ausgelassenen Völkerwanderung erreicht. Dort wird dann bei Bier und Brandewein noch lange geschunkelt, getanzt und manch anderer Schabernack getrieben.

Faschingsdienstag

Der Faschingsdienstag steht im Rhönstädtchen ganz im Zeichen der kleinen Narren. Am Vormittag versammeln sich die „Böschemer“ mit der Maumerkapelle am Marktplatz, wo einige fleißige Helfer bereits alles vorbereitet haben um den „Fosenochtsweck“ an die närrische Kinderschar zu verteilen.

Schon in den Dreißigerjahren war es in Bischofsheim üblich, die Schulkinder an diesem Tag mit einem „Weck“ zu beschenken. In der damals noch bescheideneren Zeit war das noch etwas besonderes, noch mehr nach dem letzten Krieg, als es noch Lebensmittelmarken gab. Im Jahr 1946 besann man sich wieder auf diese alte gute Sitte und erbettelte „Beutemehl“ aus dem Militärlager Wildflecken, welches man an die Bäcker verteilte und diese wiederum backten für die Schulkinder aus dunklem Mehl den altherkömmlichen „Fosenochtsweck“, auf den sich alle freuten.

Mit steigendem Wohlstand übernahm die Stadt Bischofsheim die „Brotzeitkosten“. Der Weck wurde mit einer heißen Wurst aufgebessert.

Das Ende

In den Nachtstunden von Faschingsdienstag auf Aschermittwoch treffen sich mitunter noch einige übrig gebliebene, nimmer müde Maumer um die Fosenocht noch würdig zu beenden. Dies jedoch ist eher der verzweifelte und unwiderruflich letzte Versuch einiger „Hartgesottener“ das närrische Treiben bis zur letzten Sekunde vor Mitternacht am Leben zu erhalten. Indes, der größte Teil des rastlosen Narrenheeres hat die lange Schlacht des Frohsinns tapfer geschlagen. Nun ist man des Kampfes müde, hat abgemustert und befindet sich bereits in der Rekonvaleszenz. Ausgezehrt, aber nicht ohne Stolz, blickt man auf einen erfolgreichen und stürmischen Narrenfeldzug zurück. Die Vorbereitungen für die unabwendbare Offensive am nächsten 11.11. können beginnen.

Das Pferchstellen

Aus den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts ist überliefert: Eine alte Sitte soll das „Pferchstellen“ sein. Wird in den Faschingstagen ein Kind geboren, so zieht ein „Schäfer“ mit einem Pferch auf einem Wagen vor das Haus der Wöchnerin. Der Pferch wird vor dem Haus aufgeschlagen, in ihm tummeln sich maskierte Kinder, die das Blöken der Schafe nachahmen. Das Geblöke soll den Vater des Neugeborenen herbeirufen, damit er eine Erlösung – etwa durch ein Fass Bier – leistet. Tut er das, wird der Pferch wieder abgebaut. Tut er es nicht, dann bleibt der Pferch stehen, bis er ihn selbst wegräumt.